Grosse Investoren fühlen sich nicht ausreichend bezahlt für das Risiko, dem mit einer hohen Neuverschuldung kämpfenden Staat Geld zu leihen. «Wir haben französische Anleihen stark untergewichtet», sagt etwa David Zahn, der Leiter der Abteilung für europäische Anleihen bei der Investmentgesellschaft Franklin Templeton, die 1,4 Billionen Dollar verwaltet. «Es ist wirklich die fiskalische Situation, die uns Sorgen macht.»

Das Haushaltsdefizit lag im vergangenen Jahr bei 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die europäischen Regeln sehen eigentlich eine Obergrenze von drei Prozent vor. Im Gegensatz zu anderen grossen Euro-Ländern ist das Defizit damit gestiegen. Zum Vergleich: In Deutschland sank es auf 2,1 Prozent, nach 2,5 Prozent im Jahr 2022.

Eine durchgreifende Besserung ist nicht in Sicht. Die Regierung in Paris hat ihr Defizitziel für das laufende Jahr bereits von 4,4 auf 5,1 Prozent angehoben. Den Plänen zum Defizitabbau fehle es an Glaubwürdigkeit, wenn nicht weitere Details zur Ausgabenkürzung genannt würden, kritisiert die französische Aufsichtsbehörde für öffentliche Finanzen.

Was machen die Bonitätswächter?

Für die Ratingagenturen, die kommende Woche mit der Überprüfung der Bonitätsbewertung beginnen, dürfte das nicht gerade ermutigend klingen. Moody's forderte kürzlich, dass Paris seine Ausgaben stärker kürzen müsse. Der negative Ausblick von S&P Global erhöht das Risiko einer Herabstufung: Bislang wird Frankreich mit «AA» bewertet, das heisst, Frankreich wird als guter Schuldner gesehen und den Geldgebern ein geringes Ausfallrisiko signalisiert. Sinkt das Rating, könnten die Risikoprämien steigen. Für den Staat würde es damit teurer, an frisches Geld zu kommen. In den vergangenen Wochen sind die Renditen französischer Anleihen im Vergleich zu den am besten bewerteten Staaten Deutschland und Niederlande gestiegen.

Die Sorgen um die Tragfähigkeit der Schulden in der Währungsunion konzentrierten sich in der Regel auf die ärmeren südeuropäischen Staaten - und nicht auf die zweitgrösste Volkswirtschaft. Diese hat Staatsanleihen mit einem Volumen von 2,46 Billionen Euro im Umlauf. Doch das Unbehagen über die weltweit steigenden Schuldenstände - nicht zuletzt in den USA - wächst. Der Internationale Währungsfonds (IWF) mahnt deshalb die betroffenen Staaten, ihre Ausgaben zu senken.

Wird das Risiko unterschätzt?

Analyst Chris Jeffery vom grössten britischen Investor Legal and General Asset Management warnt, dass die Märkte das Risiko unterschätzten. Er hat französische Anleihen seit Mitte 2023 untergewichtet. Die Kreditwürdigkeit Spaniens werde trotz eines geringeren Defizits und einer niedrigeren Schuldenquote um mehrere Stufen schlechter bewertet als die Frankreichs - ein «unhaltbarer» Unterschied, wie Jeffrey meint. Frankreich hat «einige der schwächsten makroökonomischen Fundamentaldaten der grossen europäischen Volkswirtschaften, und die Ratingagenturen sind aufgrund des politischen Status und der Grösse des Landes übermässig grosszügig», kritisiert der Analyst.

Aktuell liegt der Risikoaufschlag für zehnjährige französische Staatsanleihen im Vergleich zur deutschen Bundesanleihe bei rund 0,5 Prozentpunkten. Das entspricht nach Daten des Börsen- und Finanzinformationsanbieters LSEG dem Durchschnitt der Jahre 2022 und 2023 - ist aber etwa doppelt so hoch wie vor der Pandemie. Dieser Aufschlag reicht nach Einschätzung von Franklin-Templeton-Experte Zahn nicht aus, um die Geldgeber für das höhere Ausfallrisiko zu entschädigen. Französische Papiere sollten wie spanische Anleihen gehandelt werden, die einen Risikoaufschlag von 0,8 Prozentpunkten im Vergleich zu Bundesanleihen böten.

Bei vielen Investoren gelten Frankreichs Anleihen aber nach wie vor als relativ sichere Anlage. «Wir sind gegenüber Frankreich neutral eingestellt», sagt James Ringer, Fondsmanager bei Schroders. Er geht davon aus, dass das AA-Rating noch einige Zeit sicher ist. Zudem wächst das Land derzeit schneller als der Schnitt der Euro-Länder. Das verringert die Sorgen mancher Anleger, weil das Wirtschaftswachstum die Schuldenquote dämpft und tendenziell die Steuereinnahmen erhöht.

Es wird erwartet, dass Frankreich ein europäisches Verfahren zum Defizitabbau durchlaufen muss. Denn es gilt als unwahrscheinlich, dass die Haushaltslücke bald wieder unter die Drei-Prozent-Marke fallen wird. Die Ökonomen der Rabobank erwarten bis 2028 ein Defizit von 3,6 Prozent. Die Ökonomen der US-Grossbank Morgan Stanley gehen davon aus, dass der staatliche Schuldenberg Frankreichs bis 2040 von derzeit 111 auf 132 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen wird. Der von Spanien und Italien dürfte mit 111 und 136 Prozent in etwa unverändert bleiben, sollte sich die Politik nicht dramatisch ändern. Die EU-Regeln sehen eigentlich eine Obergrenze von 60 Prozent vor.

(Reuters)