Egal wer im November zum US-Präsidenten gekürt wird: Joe Biden oder Donald Trump werden mit einer sich verändernden US-Wirtschaft konfrontiert sein. Die Ökonomen des deutschen Versicherers Allianz betonen in einer jüngst veröffentlichten Studie das Risiko einer erhöhten Schwankungsanfälligkeit bei der Inflation, da die USA häufigeren Angebotsschocks und stärker einem strukturellen Arbeitskräftemangel ausgesetzt sind.  

Vor diesem Hintergrund könnten nachfragefördernde Massnahmen wie zum Beispiel Steuersenkungen oder angebotsbeschränkende Massnahmen wie Zöllerhöhungen die Inflation schneller wieder ankurbeln und die Zinssätze und Renditen für US-Obligationen in die Höhe treiben. Soziale Spannungen und fiskalische Kompromisse geben auch Anlass zur Sorge über die Zukunft der Fiskalpolitik. Andererseits dürfte die Einführung künstlicher Intelligenz (KI) die Produktivität und das BIP-Wachstum steigern und der Status der USA als Energie-Nettoexporteur bietet zusätzlichen Handlungsspielraum.

Straffe Hand der Fed und kurzfristig rückläufige Aktienkurse

Aufgrund eines kurzfristigen Anstiegs der Inflation könnte die amerikanische Notenbank Federal Reserve - kurz Fed - gezwungen sein, den am Markt eingepreisten Lockerungszyklus im Jahr 2025 zu unterbrechen. Das würde die Renditen für 10-jährige US-Staatsanleihen über 4 Prozent halten. Aufgrund der kurzfristigen Auswirkungen erhöhter Zinsen auf die Bewertungen würden auch die Aktienmärkte wahrscheinlich eine Abwärtskorrektur erfahren. Obwohl sich die Risiken häufen, werde aber ein erheblicher Marktabschwung unwahrscheinlich sein, so die Allianz-Analyse.

Zudem ist das Korrekturpotenzial an der Börse nur kurzfristiger Natur. «Plausibler wäre trotz kurzfristigem Abwärtsdruck auf die Aktienkurse, dass die Märkte im Laufe des Jahres 2025 eine Phase der Seitwärtsbewegung erleben könnten.» Mit Blick auf die Jahre 2026 und 2027 dürften sich dann eine Politik zur Bevorzugung inländischer Prioritäten sowie eine erwartete Verlagerung hin zu einer lockereren Geldpolitik der Fed positiv auf die US-Unternehmen insgesamt auswirken. Dies könnte dazu führen, dass die US-Börsen ihre internationalen Pendants mit erwarteten jährlichen Renditen von 8–10 Prozent übertreffen. Auf dem Devisenmarkt deutet die überzogene Bewertung des Dollars darauf hin, dass der Spielraum für eine Aufwertung des US-Valuta mit Plus 2,5 Prozent begrenzt wäre.

Zölle würden auf globales Wachstum durchschlagen

Im Falle einer Wahl von Donald Trump dürften vor allem die Zollerhöhungen moderater und gezielter ausfallen als versprochen, wenn auch immer noch erheblich. Das Versprechen von Trump, gegen Handelsumlenkung und Zollhinterziehung vorzugehen, wäre dabei inflationär. Im Basisszenario sehen die Allianz-Ökonomen, dass Trump den effektiven Durchschnittszollsatz der USA von derzeit 2,5 Prozent auf etwa 4,3 Prozent erhöhen wird – also nicht 10 Prozent, aber immer noch der höchste Stand seit Mitte der 1970er Jahre – und hart gegen Zollhinterziehung vorgehen. Darüber hinaus würde eine verschärfte Zollkontrolle an den Grenzen die kurzfristige Inflation durch die Verlängerung der Lieferzeiten um +0,6 Prozentpunkte in die Höhe treiben, obwohl ein stärkerer Dollar diesen Effekt abmildern könnte.

Trump würde wahrscheinlich zusätzliche Zölle in Industriesubventionen umwandeln, um die Wirtschaft zu stützen, so die Allianz weiter. Dieses Szenario könnte das Wirtschaftswachstum in den USA und der Welt im ersten Jahr um -0,5 Prozentpunkte beziehungsweise -0,2 Prozentpunkte beeinträchtigen. In diesem Abwärtsszenario mit nahezu vollständiger Umsetzung der Wahlversprechen könnte der effektive Zoll auf 12 Prozent steigen, den höchsten Stand seit den frühen 1940er Jahren. Dabei wären die Kosten für das US-BIP und das globale BIP mit -1,4 Prozentpunkten bzw. -0,6 Prozentpunkten viel höher. Es wird erwarten, dass Trump primär auf Waren abzielt, die für die US-Wirtschaft nicht kritisch sind - das 55 Prozent der importierten chinesischen Waren und 70 Prozent der EU-Waren. Chinas Textilsektor und der Transportausrüstungssektor der USA wären am stärksten betroffen.

Vorsichtigere Fiskalpolitik

Zudem dürfte die Regierung bei der Finanzpolitik vorsichtig vorgehen, da eine Trump 2.0-Präsidentschaft von der Biden-Regierung sehr grosse Haushaltsdefizite und steigende Zinsaufwendungen übernehmen würde. Eine weitere Runde grosser, defizitfinanzierter Steuersenkungen oder erhöhter Ausgaben könnte daher die Inflation wieder ankurbeln und die Besorgnis über die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen der USA auf den Anleihemärkten verstärken.

Ausserdem ist es angesichts der schlechten Lage der US-Staatsfinanzen unwahrscheinlich, dass die fiskalpolitischen Falken unter den Republikanern grossen Steuersenkungen oder neuen Ausgaben zustimmen würden. Schliesslich könnte die Trump-Regierung selbst erkennen, dass es schwierig sein wird, das Handelsdefizit deutlich zu reduzieren, solange die öffentlichen Defizite hoch bleiben. In diesem Zusammenhang prognostiziert die Analysten der Allianz, dass die Trump-Regierung ihre fiskalischen Zusagen durch höhere Zolleinnahmen und die Aufhebung einiger Richtlinien von Präsident Biden finanziert. Insgesamt könnte der fiskalische Kurs im ersten Jahr der Trump-Präsidentschaft leicht gelockert werden, in den späteren Jahren jedoch neutral werden.

Zu beachten gelte es auch, dass einige von Bidens grünen Subventionen wahrscheinlich ersetzt würden. Neue, breit angelegte Subventionen für die Produktion und Steuergutschriften für Investitionen sind denkbar. Die Subventionen dürften auf den Technologiesektor und die Stärkung der Lieferkette - insbesondere Rohstoffe, seltene Erden, Chemikalien und Mineralien, aber auch Stahl und Autos - ausgerichtet sein. Unter einer fiskalisch verantwortlichen Trump-Regierung sei ein Anstieg von nicht-grünen Industriesubventionen um rund 55 Milliarden US-Dollar pro Jahr (0,2 Prozent des BIP) zu erwarten.

Thomas Daniel Marti
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