Der Rat stimmte am Montag einem Formulierungsvorschlag seiner vorberatenden Kommission zu, welchen Kommissionssprecher Nicolò Paganini (Mitte/SG) als «erweiterte Lüftungsfensterpraxis» bezeichnete. Damit erreiche man ein «Gleichgewicht zwischen innerer Verdichtung und Lärmschutz», sagte die Kommission im Vorfeld.

Konkret sollen in der Schweiz künftig Baubewilligungen für Wohnungen in Gebieten mit überschrittenem Lärm-Immissionsgrenzwert unter folgenden Bedingungen zulässig sein: bei jeder Wohneinheit verfügt mindestens ein lärmempfindlicher Raum über ein Fenster, bei dem die Grenzwerte eingehalten sind.

Zudem muss bei den übrigen Räumen eine kontrollierte Wohnraumlüftung installiert werden oder ein privat nutzbarer Aussenraum zur Verfügung stehen, bei dem die Lärmgrenzwerte eingehalten werden.

Alternativ sind Baubewilligungen möglich, wenn bei jeder Wohneinheit mindestens die Hälfte der lärmempfindlichen Räume über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten sind, und der Schallschutz angemessen und wirtschaftlich verhältnismässig verschärft wird.

Der Ständerat sprach sich im Dezember beispielsweise dafür aus, dass der Wohnungsbau auch dann möglich sein soll, wenn die lärmempfindlichen Räume einer Wohnung einfach eine kontrollierte Wohnraumlüftung erhalten.

Wegen Differenzen zurück in Ständerat

Eine Minderheit im Nationalrat wollte, dass prinzipiell die sogenannte Lüftungsfensterpraxis des Städteverbands zum Zug kommt. Wohnungsbau in Gebieten mit übermässigem Lärm ist dieser Praxis zufolge dann möglich, wenn bei jeder Wohneinheit jeder lärmempfindliche Raum über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten werden.

Auch der Bundesrat wollte die Lüftungsfensterpraxis im Gesetz verankern. Bundesrat Albert Rösti sprach am Montag von einer einfachen und klaren Regel, die einen Kompromiss zwischen Ausbau der Wohnbautätigkeit und des Lärmschutzes biete.

Mit 119 zu 67 Stimmen bei sechs Enthaltungen stimmte der Nationalrat dem Gesetzesentwurf in der Gesamtabstimmung zu. Die Stimmen für die «erweiterte Lüftungspraxis» stammten aus der SVP-, FDP- und teilweise der Mitte-Fraktion, dagegen waren SP, Grüne und GLP.

GLP-Sprecher Beat Flach (AG) kritisierte die «erweiterte Lüftungspraxis» als nicht praktikabel. Bastien Girod (Grüne/ZH) sagte, der Vorschlag führe zu mehr lärmigen, zu mehr krank machenden Wohnungen. Da nun zwischen National- und Ständerat Differenzen bestehen, geht die Vorlage zurück in den Ständerat.

Nationalrat doppelt bei Tempo 30/50 nach

Der Nationalrat nahm am Montag auch einen Antrag des Schaffhauser SVP-Nationalrats Thomas Hurter an, der im Umweltschutzgesetz festschreiben will: «Auf verkehrsorientierten Strassen kann die Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit nicht verlangt werden.»

Der Nationalrat doppelte damit im Streit um Geschwindigkeitsreduktionen innerorts zur Reduktion von Lärm nach. Erst am vergangenen Mittwoch hatte der Ständerat eine Motion gutgeheissen, welche vom Bundesrat eine Anpassung des Strassenverkehrsgesetzes im Sinn von Hurter verlangt.

Weiter nahm der Nationalrat einen Antrag für die Schaffung eines neuen Spezial-Lärmgrenzwerts in Flughafennähe an. Er stammt von einer SVP/FDP-Minderheit der vorberatenden Kommission des Nationalrats und will trotz Fluglärmbelastung in flughafennahen Gebieten eine Siedlungsentwicklung nach innen ermöglichen.

Der Hauseigentümerverband Schweiz begrüsste die Entscheide des Nationalrates in einer Mitteilung als «wichtigen Schritt in die richtige Richtung». Schon in der Eintretensdebatte drohte Gabriela Suter (SP/AG) mit einem Referendum, sollten die Räte zu weit gehen.

Sanierung von Altlasten beschleunigen

Ein weiteres Hauptziel des Bundesrats mit der Gesetzesrevision ist, die Sanierung von Altlasten zu beschleunigen. Er will Anreize schaffen, damit öffentliche und private Böden möglichst rasch saniert werden. Insbesondere Kinderspielplätze könnten durch frühere Düngungen der Böden und Luftverschmutzung belastet sein.

Diesbezüglich entschied der Nationalrat, dass die Kantone die Inhaber dieser Plätze unter gewissen Bedingungen finanziell bei der Sanierung unterstützen können sollen. Der Ständerat wollte das nicht.

(AWP)