Da wurde doch vor anderthalb Jahren den Stimmbürgerinnen überzeugend dargelegt, das Frauenrentenalter müsse angepasst werden, weil die AHV sonst in finanzielle Not gerate. Auch wurde wiederholt beteuert, die AHV werde auch mit Referenzalter 65 weitere Sanierungsschritte erdulden müssen.

Und was machte die Mitte-Partei nach knapp gewonnener AHV-Schlacht? Sie forderte die Aufhebung der Rentenplafonierung für Ehepaare, was sie als Heiratsstrafe bezeichnet. Kostenpunkt: Rund 2,8 Milliarden Franken pro Jahr. Das nennt man Politik.

Derzeit sammelt die Mitte-Partei Unterschriften für ihre Initiative «Diskriminierung endlich abschaffen». Diskriminiert sind verheiratete Rentnerpaare gegenüber Nichtverheiraten, weil ihre gemeinsamen Renten auf 150 Prozent einer maximalen Vollrente plafoniert werden.

Die in Mitte-Partei umbenannte CVP bewirtschaftet die angebliche Heiratsstrafe seit langem. Doch Heiratsbonus käme der Sache näher. Das hat die "NZZ am Samstag" flott vorgerechnet. Zwar spare die AHV mit der Rentenplafonierung rund 2,8 Milliarden Franken im Jahr; profitiere dafür von exklusiven Vorteilen wie den Witwenrenten sowie Rentenzuschlägen von gesamthaft 3,2 Milliarden. «Bleibt ein Heiratsbonus» von 400 Millionen.

Nun kommt der Bundesrat der Mitte-Partei indirekt zu Hilfe. Am Freitag gab er bekannt, wie er Witwer und Witwen gleichstellen will, um damit einem Entscheid des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Genüge zu tun.

Dabei will er nicht nur die Witwenrenten kürzen, wie das als Folge des gesellschaftlichen Wandels schon längst angezeigt ist. Er will neu auch Unverheirateten eine Hinterlassenenrente ermöglichen, sofern Kinder im Haushalt leben.

Das mag durchaus dem Zeitgeist entsprechen. Nur muss man wissen, dass damit die Vorteile der Konkubinatspaare zunehmen und die Nachteile von verheirateten Paaren abnehmen. Und man könnte tatsächlich von Heiratsstrafe reden, was der genannten Volksinitiative Auftrieb gäbe, sollte sie überhaupt zustande kommen.

Aber die Finanzierung der AHV ist nun mal nicht mehr gesichert. Sie braucht wegen der steigenden Lebenserwartung und dem Babyboomer-Effekt so oder so mehr Geld. Da ist es völlig verkehrt, jetzt zusätzliche Leistungen zu sprechen. Das gilt nicht nur für die drohende Entplafonierung bei Verheirateten, das gilt ebenso für die angedachten Hinterlassenenleistungen für Konkubinatspaare.

Wenn Elternpaare nicht heiraten wollen, um sich gegenseitig abzusichern, so ist das ihre Sache. Ihre Sache wäre es aber auch, sich privat gegen allfällige Risiken abzusichern. Man könnte das Selbstverantwortung nennen.